Die Rede von Märtyrerinnen und Märtyrern fordert heraus: Bilder von Frauen und Männern, die im Vertrauen auf Gott trotz größter Qualen dem eigenen Tod freiwillig, mit Gelassenheit oder sogar Freude entgegenblicken, lösen in uns Widerstände bis hin zur Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Handelns aus. Diese Bilder sind Teil unserer Gegenwart: An vielen Orten der Erde, ob in Pittsburgh, Syrien oder China, bekennen Christ*innen, aber auch Jüd*innen und Muslim*innen im Angesicht des Todes ihren Glauben und legen so das Blutzeugnis ab. Dennoch sind Publikationen zu einer ‚Theologie des Martyriums‘ heute eher selten (vgl. z.B. Eberhard Schockenhoff, Entschiedenheit und Widerstand. Das Lebenszeugnis der Märtyrer, Freiburg i. Br. 2015). Die christliche Antike dagegen hat eine vielfältige Märtyrer-Literatur hervorgebracht. Neben Märtyrerakten, -passionen und -legenden finden sich hier – etwa bei Tertullian, Origenes und Cyprian – Schriften, die nicht nur die Martyriumsbereitschaft propagieren, sondern auch dem Wesen und Sinn des Martyriums selbst nachgehen und bis heute Impulse für die theologische Reflexion geben.

Im Mittelpunkt des Hauptseminars steht Origenesʼ um 235 n.Chr. entstandene (später so genannte) 'Exhortatio ad martyrium'. Auf der Basis einer philologischen Analyse ausgewählter Passagen des griechischen Textes werden sowohl die theologischen als auch die zeitgeschichtlichen Implikationen untersucht und diskutiert werden: Im ersten Teil jeder Sitzung liegt der Fokus auf theologischen Themen des Werkes (z.B.: das Martyrium als Konsequenz des Gesetzesgehorsams und Ausdruck ungeteilter Gottesliebe; das Vorbild alttestamentlicher Glaubenszeugen; das Martyrium als zweite ‚Taufe‘; das Martyrium als Teilhabe an der Passion Christi; Gemeinschaft mit Christus oder Gemeinschaft mit den Dämonen; das Sterben für andere; das Martyrium als Weg zu Gott). Im zweiten Teil der Sitzung sollen jeweils der historische Kontext der von Origenes beschriebenen Verfolgungssituation (z.B.: Kaiserkult, Christenverfolgung und Märtyrerverehrung) sowie Anknüpfungspunkte an jüdische wie klassisch-pagane Traditionen des edlen Todes (z.B.: der Tod des Sokrates, die Makkabäischen Märtyrer) im Vordergrund stehen.