Aufgeklärt soll eine Religion sein, denn so hat sie einen Platz in der modernen Gesellschaft. Und aufgeklärt ist sie zum Beispiel durch die Betonung von Individualität, durch eine kritische Skepsis gegenüber Tradition und Autorität, durch einen vor der Vernunft gerechtfertigten Gottesbegriff sowie durch die Annahme eines gemeinsamen Kerns aller Religionen. Diese Vorzeichen prägen die aktuellen Debatten um das Verhältnis von Religion und Moderne, in denen die öffentliche Sichtbarkeit von Religion genauso thematisiert wird wie das Gewaltpotential religiöser Traditionen. Sie sind aber alles andere als selbstverstänlich, sondern entspringen einer spezifischen Konfiguration des Religionsbegriffs, der wesentlich seit dem 17. Jahrhundert im europäischen Kontext geprägt worden ist: In ihm treten Offenbarungs- und religionskritische Elemente mit vorausgesetzten christlichen Grundannahmen zusammen.

Die Vorlesung zeichnet anhand von ausgewählten Denkern der (frühen) Aufklärung die Konfiguration des Religionsbegriffs nach. Zugleich setzt er sie in Beziehung zu islamischen Traditionen, in denen ebenfalls das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung thematisiert wird. Dies bietet sich an, ist der Islam in Abgrenzung wie in Idealisierung doch bis in die Gegenwart der zentrale Bezugspunkt europäischen Selbstverständnisses.