Dass „die Kirche stets reformbedürftig“ (ecclesia semper reformanda) ist, war nicht erst die Überzeugung der Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils (s. LG 8,3). ‚Selbstkritik‘ innerhalb der Kirche ist bereits in den Paulusbriefen feststellbar und ‚Reformversuche‘ lassen sich schon aus den Briefen der Apostolischen Väter ableiten. Die Vorlesung hat das Ziel, in einem Durchgang durch die Kirchengeschichte aufzuzeigen, welchen Wandlungen das Verständnis des Begriffs ‚Re-form‘ innerhalb der Kirche(n) unterlag und welche Gegebenheiten jeweils aufgrund welcher Entwicklungen als reformbedürftig angesehen wurden. Als Beispiele behandelt werden sollen etwa: Selbstkritik im Neuen Testament und ihre Verwendung in der antiken antichristlichen Polemik (Celsus, Porphyrius, Julian Apostata) – Innerkirchliche Kritik an Gemeinden und Amtsträgern in (außerkanonischer) christlicher Literatur des 1. bis 5. Jahrhunderts (1. Klemensbrief; Didache; Hieronymus, Sulpicius Severus ...) – Versuche einer Kirchenreform im 4. und 5. Jahrhundert (z.B. ‚Entweltlichung‘ durch Enthaltsamkeit der Amtsträger; ‚Mönchsbischöfe‘; freiwillige Armut; verstärkte Armenfürsorge; Priszillianer; Donatisten) – ‚Karolingische Reform‘ – Klosterreformen des 10. und 11. Jahrhunderts (Cluny; Gorze) – Die zisterziensische Erneuerung – Gregorianische Reform (Reformpapsttum; Investiturstreit) – Die Armutsbewegung (Waldenser; Katharer/Albigenser; Bettelorden) – Die ‚Reformkonzilien‘ des 15. Jahrhunderts (Pisa 1409, Konstanz 1414–1418, Pavia-Siena 1423/24, Basel 1431–1437 bzw. 1449) – Devotio moderna – Reformversuche des 16. Jahrhunderts vor Trient (Luther; Hadrian VI; J. Gropper) – Zu weiteren Entwicklungen der Reformation (Luther; Zwingli; Calvin ...) – Das Konzil von Trient und seine Folgen – Josephinismus – Kirchliche Erneuerung nach der Säkularisation – Reformkatholizismus ab 1900 – Reformansätze vor Vaticanum II (Renouveau catholique; Liturgische Bewegung; Nouvelle théologie) – Vaticanum II als Reformkonzil – Nachkonziliare Reformbemühungen kirchlicher Gruppen und der Päpste (Paul VI; Johannes Paul II; Benedikt XVI; Franziskus).