Die moderne Sprachphilosophie begann als Kritik an der Bewusstseinsphilosophie und am Mentalismus, wonach der Geist über bedeutungstragende innere Vehikel des Denkens verfügt, mittels derer er äußere Gegenstände oder Sachverhalte repräsentieren kann. Die "Verstoßung der Gedanken aus dem Bewusstsein" (Michael Dummett) führte zu der Auszeichnung eines Bereichs geteilter Bedeutungen und deren Bindung an die Institution einer gemeinsamen Sprache. Gedanken werden durch die Sprache nicht nur übertragen, sondern auch erzeugt. Im Zentrum der zu einer Grundlagendisziplin aufgerückten Sprachphilosophie steht die Bedeutungstheorie, die vom Vorrang des Satzes vor den Wortbedeutungen und dem Zusammenhang von Bedeutung und Wahrheit ausgeht.

Die Wende zur Sprache (linguistic turn) war keine Episode, die auf die analytische Richtung beschränkt blieb. Die hermeneutische Variante der Sprachphilosophie (Heidegger, Gadamer, Ricoeur) rückt nicht Termini bzw. Sätze, vielmehr Texte, Sprachen und symbolisch strukturierte Weltbilder in den Fokus der Aufmerksamkeit. Den Gedanken der Sinntotalität modifizierend hat die hermeneutische Sprachphilosophie neben der Texthermeneutik und der historischen Hermeneutik auch eine ontologische Hermeneutik bzw. Hermeneutik der menschlichen Existenz ausgebildet, die in vielfacher Weise die Anthropologie und Theologie des 20. Jahrhunderts beeinflusst hat.

In der Vorlesung wird es darum gehen, die neuere Geschichte des Fachs Revue passieren zu lassen und These zu verteidigen, dass nur Wesen, die sich an diskursiven Praktiken des Behauptens und Begründens beteiligen und in diesem Sinn Sprache haben, über begriffliche Gehalte verfügen, d.h. im anspruchsvollen Sinn denken.