Formelle und informelle Sorgearbeit, die von der Erziehung der Kinder bis zur Pflege der Älteren reicht, bilden ein Feld, an dem sich aufweisen lässt, wie sich Rollenerwartungen und geschlechtliche Arbeitsteilung über die Jahrzehnte hinweg verändern, wie vormals unbezahlte Tätigkeiten zu bezahlten Dienstleistungen werden, aber auch welche Herausforderungen auf Makro-, Meso- und Mikroebene damit verbunden sind. Die Familien und privaten Haushalte, in denen (nach wie vor mehrheitlich von Frauen) der Großteil der Sorgearbeit geschultert wird, stehen dabei besonders im Fokus und seit geraumer Zeit unter zunehmendem Druck.
Wann und wie ist es überhaupt zur Trennung von familialer Sorgearbeit in der sog. privaten Sphäre und Erwerbsarbeit in der sog. öffentlichen Sphäre gekommen? Wie stabilisiert(e) diese Arbeitsteilung den konservativen Wohlfahrtsstaat deutscher Prägung? Welche normativen Annahmen begleite(te)n sie? Ist gegenwärtig – aufgrund unterschiedlicher Faktoren – eine „Care-Revolution“ im Entstehen begriffen? Wie ist eine mögliche gesellschaftliche Neuaushandlung der Organisation familialer Sorgearbeit ethisch zu bewerten?
Im Hauptseminar soll entlang einschlägiger sozialwissenschaftlicher und theologisch-ethischer Texte ein Licht auf die Entwicklung familialer Sorgearbeit und ihre normative Flankierung geworfen werden. Dabei geraten neben der geschlechtlichen Arbeitsteilung auch die Konstituierung von Generationenverhältnissen (Solidaritätsverhältnissen) und das für den deutschen Wohlfahrtsstaat wirkmächtige Subsidiaritätsverständnis in den Blick. Die abschließende sozialethische Bewertung erfolgt unter Einbezug der drei großen (utilitaristischen, rechtebasierten und partikular-sittlichen) Ethikstränge.