In dieser Vorlesung geht es um das Ganze. Bringt die Lehre von der
Schöpfung doch alles was ist, in seiner unauflöslichen Beziehung zu dem
von ihm grundsätzlich unterschiedenen Gott als Geschaffenes in den
Blick. In diesem Blick kommen christliche und islamische Theologie
überein - und zeigen damit sofort, dass das Ganze niemals in einem
Standpunkt allein sich abbilden lässt.
So steht die Schöpfungslehre in besonderer Weise für Einheit und
Vielfalt: In ihrem Gegenstand - der geschaffenen Wirklichkeit, die in
ihrer bunten und divergierenden Unterschiedlichkeit gewürdigt werden
muss und doch zugleich niemals in eine vollkommene Unvergleichlichkeit
auseinanderfallen darf. In ihren theologischen Konzepten, die die
Einheit von Welt und Menschheit in immer neuen Anwegen denken und dabei
zugleich die unterschiedlichen Perspektiven aus Natur- und
Geisteswissenschaften einbeziehen müssen. Und in ihren interreligiösen
Bezügen, in denen Christentum und Islam in besonderer Nähe und mit sich
vielfältig überschneidenden Traditionen, aber auch mit unterschiedlichen
Interpretationshorizonten deutlich werden. „Nirgends sind Christentum
und Islam einander so nahe wie beim Thema der Schöpfung" (Heine, 108)
und zugleich erlaubt gerade die Nähe den respektvollen tieferen Blick
auf den Unterschied, denn „die Wahrnehmung von Unterschieden ist der
Königsweg zur Begegnung mit anderen und dafür, sich ernsthaft
miteinander zu befassen" (Heine, 17).
Die Vorlesung wird im Sinne einer „katholischen Theologie im Angesicht
des Islam" den eigenständigen koranischen und systematisch-theologischen
Horizont der Schöpfungslehre umreißen und von ihm her einige
spezifische Akzente der christlichen Schöpfungslehre erläutern.
Thematisch werden auch Fragen nach dem Zeit- und Geschichtsverständnis
mit einbezogen sowie die oft stereotyp verhandelte Frage nach der
Ebenbildlichkeit des Menschen als Spezifikum des biblischen
Menschenbildes in Auseinandersetzung mit einer koranischen
ḫalīfa-Theologie diskutiert. Schließlich sollen auch Fragen zur
Evolutionstheorie und zur Ökologie im Kontext des christlich-islamischen
Dialogs angesprochen werden.