Gegen gnostisch-leibfeindliche Tendenzen haben die Theologen der Alten
Kirche darauf bestanden, dass weder die materielle Schöpfung noch der
menschliche Leib zum Bereich des Bösen zählen, sondern als Gottes gute
Schöpfung zu gelten haben. Veranlasst wurden sie hierzu nicht nur durch
die biblische Rede von Welt und Mensch, sondern auch durch den Glauben
an die Menschwerdung Gottes.
Im Zuge der Rezeption platonischen Denkens freilich ist die christliche
Anthropologie zunehmend durch eine Distanznahme gegenüber dem
menschlichen Leib gekennzeichnet. Zum spirituellen Ideal schon in der
Spätantike wird das „engelgleiche Leben" (bios angelikos) der Mönche.
Insbesondere Körperlichkeit und Sexualität werden als Ausdruck der
Selbstbezogenheit des Menschen und seiner Abkehr vom Schöpfer
diskreditiert.
In Rückbesinnung auf die biblischen Wurzeln, aber auch herausgefordert
durch Impulse der phänomenologischen Philosophie sehen sich Theologen
heute veranlasst, „Leiblichkeit" nicht nur als wesentliche Dimension der
Anthropologie, sondern auch der Christologie, der Eschatologie, ja
selbst der Eucharistielehre zur Geltung zu bringen.
Das Seminar wird exemplarisch wegweisende phänomenologischer Entwürfe
und deren Rezeption durch christliche Theologen erschließen.
Vorbereitende Lektüre, Gruppenarbeit und gemeinsame Diskussionen helfen
zu klären, ob und inwieweit „Leiblichkeit" tatsächlich ein „neues
Paradigma" für die Theologie sein kann.