Die Frage, in welcher Beziehung Personen zu dem Körper stehen, der ihr Körper ist, wird in der analytischen Metaphysik für gewöhnlich im Kontext der Frage der diachronen Identität von Personen diskutiert, d.h. der Frage, unter welchen Bedingungen eine bestimmte Person, z.B. Paula, zum Zeitpunkt t1 identisch ist mit Paula zum Zeitpunkt t2. Gefragt wird nach den semantischen und metaphysischen Kriterien der diachronen Identität, d.h. was personale Identität bedeutet, und worin sie metaphysisch besteht.

Anhänger der Substanzontologie, z.B. Aristoteles, Thomas von Aquin, Descartes, hätten die Frage nicht verstanden bzw. hätten darauf verwiesen, dass menschliche Personen Musterbeispiele von Substanzen seien, d.h. Entitäten, die bei wechselnden Eigenschaften mit sich identisch bleiben (persistieren, sagen heutige Metaphysiker). Es spielt dabei keine Rolle, ob die Substanz das menschliche Lebewesen oder eine cartesische Seele ist.

Dass die Frage der diachronen Identität von Personen zu einer spannenden Frage avancieren konnte, verdanken wir John Locke, der im berühmten 27. Kapitel des ersten Buchs des „Versuchs über den menschlichen Verstand“ [An essay concerning human understanding] die Frage der Identität der Person von der Frage der Identität des menschlichen Lebewesens und der Existenz einer (immateriellen) Substanz, d.h. der Seele, entkoppelte. Locke selber hat ein psychologisches Kriterium der personalen Identität vorgeschlagen. Das Kriterium der Identität ist die Erinnerung. Die Mehrheit der modernen Autoren ist ihm darin gefolgt, mit zwei Einschränkungen: (1) Erinnerung ist kein hinreichendes Kriterium, wir benötigen stattdessen robuste psychologische Kontinuität (D. Parfit), (2) das Organ, das psychologische Kontinuität konstituiert, ist das (menschliche) Gehirn.

An dieser Stelle wird die Debatte bunt und aufregend. Was ist, wenn wir Gehirne oder Gehirnhälften tauschen, in einer Nährlösung aufbewahren (Gehirne im Tank) oder deren Inhalt auf einer Festplatte speichern? Lassen sich Personen verdoppeln?

Im Seminar werden wir die Haupakteure der Debatte, vornehmlich die „Neo-Lockeaner“ und ihre Gegner, die „Animalisten“, lesen und ihre Argumente gewichten. Um nicht ganz den Boden unter den Füßen zu verlieren, sollen auch Vertreter des Leib-Seele-Dualismus und des aristotelischen Hylemorphismus zu Wort kommen.

Literatur

Harald W. Noonan, Personal Identity, London 2003

Lynne Rudder Baker, Persons and Bodies. A Constitution View, Cambridge 2000

Eric Olson, The Human Animal. Personal Identity Without Psychology, New York/ Oxford 1999

Sydney Shoemaker / Richard Swinburne, Personal Identity, Oxford 1984

Derek Parfit, Reasons and Persons, Oxford 1986

Patricia Wallusch / Heinrich Watzka (Hg.), Verkörpert existieren. Ein Beitrag zur Metaphysik menschlicher Personen aus dualistischer Perspektive, Münster 2013

Godehard Brüntrup / Matthias Rugel / Maria Schwartz (Hg.), Auferstehung des Leibes - Unsterblichkeit der Seele, Stuttgart 2010


Hinweise

Da der größere Teil der Literatur nur in englischer Sprache vorliegt, ist die Fähigkeit, englische Texte zu lesen, eine unverzichtbare Voraussetzung für die Teilnahme.